HENSCHE RECHTSANWÄLTE, FACHANWALTSKANZLEI FÜR ARBEITSRECHT

 

LAG Ber­lin-Bran­den­burg, Ur­teil vom 12.04.2012, 5 Sa 2555/11

   
Schlagworte: Betriebskrankenkasse
   
Gericht: Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen: 5 Sa 2555/11
Typ: Urteil
Entscheidungsdatum: 12.04.2012
   
Leitsätze:
Vorinstanzen: Arbeitsgericht Berlin, Urteil vom 24.11.2011, 50 Ca 7946/11
Nachgehend: Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 21.11.2013, 2 AZR 474/12
   

Lan­des­ar­beits­ge­richt
Ber­lin-Bran­den­burg

Verkündet

am 12.04.2012

Geschäfts­zei­chen (bit­te im­mer an­ge­ben)
5 Sa 2555/11

50 Ca 7946/11
Ar­beits­ge­richt Ber­lin  

F.
Ge­richts­beschäftig­te
als Ur­kunds­be­am­ter/in
der Geschäfts­stel­le

Im Na­men des Vol­kes

Ur­teil

In Sa­chen

pp

hat das Lan­des­ar­beits­ge­richt Ber­lin-Bran­den­burg, 5. Kam­mer,
auf die münd­li­che Ver­hand­lung vom 12. April 2012
durch die Vor­sit­zen­de Rich­te­rin am Lan­des­ar­beits­ge­richt M. als Vor­sit­zen­de
so­wie den eh­ren­amt­li­chen Rich­ter Sch. und die eh­ren­amt­li­che Rich­te­rin S.

für Recht er­kannt:

I.
Die Be­ru­fung der Be­klag­ten ge­gen das Ur­teil des Ar­beits­ge­richts Ber­lin vom 24.11.2011 – 50 Ca 7946/11 – wird auf ih­re Kos­ten zurück­ge­wie­sen.

II.
Die Re­vi­si­on wird zu­ge­las­sen.

T a t b e s t a n d

Die Par­tei­en strei­ten um die Be­en­di­gung ih­res Ar­beits­verhält­nis­ses auf­grund ge­setz­li­cher An­ord­nung bzw. Kündi­gung sei­tens der Be­klag­ten.

Die am …..1959 ge­bo­re­ne Kläge­rin war ab 14.01.1991 Mit­ar­bei­te­rin des Lan­des Ber­lin, beschäftigt bei des­sen Be­triebs­kran­ken­kas­se. In­fol­ge ei­nes Be­triebsüber­g­an­ges war sie seit dem 01.01.1999 in der Ber­li­ner Geschäfts­stel­le der Be­klag­ten bzw. de­ren Rechts­vorgänge­rin­nen als So­zi­al­ver­si­che­rungs­an­ge­stell­te tätig. Auf das Ar­beits­verhält­nis fin­det kraft bei­der­sei­ti­ger Ta­rif­bin­dung der Man­tel­ta­rif­ver­trag für die Beschäftig­ten der Be­triebs­kran­ken­kas­sen vom 01.05.2010 (künf­tig: MTV) An­wen­dung. Nach § 20 Abs. 1 MTV ist das Ar­beits­verhält­nis nur noch aus ei­nem in der Per­son der Kläge­rin oder ih­rem Ver­hal­ten lie­gen­den wich­ti­gen Grund außer­or­dent­lich künd­bar.

Nach An­zei­ge der Über­schul­dung durch die Be­klag­te am 07.04.2011 ord­ne­te das Bun­des­ver­si­che­rungs­amt mit Be­scheid vom 04.05.2011 die Sch­ließung der Be­klag­ten zum 30.06.2011 an.

Mit Schrei­ben vom 09.05.2011 teil­te die Be­klag­te der Kläge­rin mit, dass ihr Ar­beits­verhält­nis auf­grund der Sch­ließung mit dem 30.06.2011 en­de.

Mit Schrei­ben vom 20.04.2011 und 04.05.2011 un­ter­rich­te­te die Be­klag­te den bei ihr ge­bil­de­ten Haupt­per­so­nal­rat darüber, dass sie al­le Ar­beits­verhält­nis­se vor­sorg­lich zum 30.06.2011 und höchst­vor­sorg­lich frist­gemäß bzw. bei den ta­rif­lich or­dent­lich unkünd­ba­ren Ar­beit­neh­mern außer­or­dent­lich mit so­zia­ler Aus­lauf­frist kündi­gen wer­de. Der Haupt­per­so­nal­rat er­hob hier­ge­gen mit Schrei­ben vom 17.05.2011 Ein­wen­dun­gen. Mit zwei Schrei­ben vom 18.05.2011 nahm die Be­klag­te hier­zu Stel­lung und for­der­te den Haupt­per­so­nal­rat er­folg­los auf, ei­nen Ter­min­vor­schlag für ein Gespräch zu be­nen­nen.

Mit Schrei­ben vom 19.05.2011 erklärte die Be­klag­te die außer­or­dent­li­che Kündi­gung mit so­zia­ler Aus­lauf­frist bis zum 30.06.2011, vor­sorg­lich mit so­zia­ler Aus­lauf­frist zum nächstmögli­chen Ter­min, dem 31.12.2011.

Zwi­schen­zeit­lich schloss die Kläge­rin mit der zu­vor als Körper­schaft des öffent­li­chen Rechts geführ­ten Be­klag­ten als Körper­schaft des öffent­li­chen Rechts in Ab­wick­lung ei­nen bis zum 30.06.2012 be­fris­te­ten Ar­beits­ver­trag vom 23.06.2011 (Bl. 323 bis 328 d. A.), auf­grund des­sen sie seit dem 01.07.2011 als Team­lei­te­rin bei der Ab­wick­lung ein­ge­setzt wird. Die­ser Ver­trag wur­de zu­letzt bis zum 31.12.2012 verlängert.

Mit am 26.05.2011 beim Ar­beits­ge­richt Ber­lin ein­ge­gan­ge­ner Kla­ge hat sich die Kläge­rin ge­gen die Be­en­di­gung ih­res Ar­beits­verhält­nis­ses zum 30.06.2011 auf­grund des Sch­ließungs­be­scheids und mit wei­te­rer, am 03.06.2011 dort ein­ge­gan­ge­ner Kla­ge ge­gen die Kündi­gung ge­wandt. Mit Be­schluss vom 29.08.2011 (Bl. 61 bis 63 d. A.) hat das Ar­beits­ge­richt bei­de Ver­fah­ren un­ter Führung des Ver­fah­rens 50 Ca 7946/11 zur ge­mein­sa­men Ver­hand­lung und Ent­schei­dung ver­bun­den. In die­sem Be­schluss wur­de der Be­klag­ten fer­ner u. a. die Auf­la­ge er­teilt, zum In­halt und zur Zu­mut­bar­keit ei­nes von der Kläge­rin ggf. er­hal­te­nen an­der­wei­ti­gen Beschäfti­gungs­an­ge­bots vor­zu­tra­gen.

Die Kläge­rin hat ge­meint, ihr Ar­beits­verhält­nis sei nicht nach § 164 Abs. 4 Satz 1 SGB V mit dem 30.06.2011 be­en­det wor­den. Die­se Vor­schrift könne ver­fas­sungs­kon­form nur so aus­ge­legt wer­den, dass die Ar­beits­verhält­nis­se der nicht nach Ab­satz 3 un­ter­ge­brach­ten Ar­beit­neh­mer mit dem Tag der Sch­ließung un­ter Ein­hal­tung der kündi­gungs­schutz­recht­li­chen und ta­rif­li­chen Re­ge­lun­gen be­en­det wer­den könn­ten. Die Be­klag­te ha­be nicht zum 30.06.2011 ih­re Rechts­persönlich­keit ver­lo­ren, son­dern set­ze den Be­trieb – wohl be­schränkt auf den Ab­wick­lungs­zweck - mit den­sel­ben Be­triebs­mit­teln und Ar­beit­neh­mern als Körper­schaft öffent­li­chen Rechts in Ab­wick­lung fort. Die Kündi­gung sei un­wirk­sam, da die Sch­ließung nicht zur Still­le­gung des Be­trie­bes, son­dern zu des­sen Fort­set­zung in Ab­wick­lung geführt ha­be, wes­halb be­triebs­be­ding­te Gründe fehl­ten und ei­ne So­zi­al­aus­wahl nicht ent­behr­lich sei. Auch wer­de die ord­nungs­gemäße Anhörung des Per­so­nal­rats be­strit­ten.

Die Be­klag­te hat ge­meint, mit der Sch­ließung ha­be sie grundsätz­lich ih­re Rechts­persönlich­keit ver­lo­ren, wo­durch den Ar­beit­neh­mern ihr bis­he­ri­ger Ar­beit­ge­ber ab­han­den ge­kom­men sei. Das Ar­beits­verhält­nis ha­be gemäß § 164 Abs. 4 Satz 1 SGB V mit dem Tag der Sch­ließung ip­so iu­re ge­en­det. Die Kläge­rin ha­be das durch den Lan­des­ver­band der Be­triebs­kran­ken­kas­sen un­ter­brei­te­te an­der­wei­ti­ge Beschäfti­gungs­an­ge­bot nicht an­ge­nom­men, wo­bei für die Be­en­di­gung des Ar­beits­verhält­nis­ses kein An­ge­bot in die­sem Sin­ne vor­aus­ge­setzt wer­de, zu­mal sie hierfür nicht ver­ant­wort­lich sei. Die­se Be­en­di­gung ent­spre­che dem Wil­len des Ge­setz­ge­bers, da bei ho­hen Sch­ließungs­kos­ten die Ge­fahr be­ste­he, dass wei­te­re Be­triebs­kran­ken­kas­sen ge­schlos­sen wer­den müss­ten. Der Ein­griff in Art. 12 GG sei zur Ver­mei­dung die­ses Do­mi­no-Ef­fek­tes verhält­nismäßig, die Verkürzung der Kündi­gungs­fris­ten ge­genüber ta­rif­ver­trag­li­chen Re­ge­lun­gen ver­let­ze Art. 9 GG eben­so we­nig, wie dies bei § 113 In­sO der Fall sei. Auch wer­de durch die un­ter­schied­li­che Be­hand­lung der bei ei­ner In­nungs­kran­ken­kas­se und bei ei­ner Be­triebs­kran­ken­kas­se Beschäftig­ten Art. 3 GG nicht ver­letzt, da die­se nicht willkürlich sei. So­weit es dar­auf an­kom­me, sei die vor­sorg­lich erklärte Kündi­gung wirk­sam. Mit dem Ver­lust ih­rer Rechts­persönlich­keit in­fol­ge der Sch­ließung lie­ge ei­ne Auflösung der zwi­schen Ar­beit­ge­ber und Ar­beit­neh­mer be­ste­hen­den Be­triebs- und Pro­duk­ti­ons­ge­mein­schaft vor. Sie ha­be ih­re bis­he­ri­ge wirt­schaft­li­che Betäti­gung auf Dau­er auf­ge­ge­ben. Da mit der vollständi­gen Be­triebs­still­le­gung sämt­li­che Beschäfti­gungsmöglich­kei­ten ent­fal­len sei­en, ent­fal­le ei­ne So­zi­al­aus­wahl. Die be­fris­te­te Wei­ter­beschäfti­gung der Kläge­rin ände­re dar­an nichts. Das Ge­setz übe­r­ant­wor­te die ab­wick­lungs­be­zo­ge­ne Per­so­nal­pla­nung gänz­lich der ge­schlos­se­nen Kas­se, d.h. dem Ab­wick­lungs­vor­stand, der mit ei­nem Per­so­nal­be­stand „null“ be­gin­ne. Die­ser ha­be u.a. mit der Kläge­rin auf Grund­la­ge ei­ner kon­kre­ten Pro­gno­se zum Beschäfti­gungs­be­darf in der Ab­wick­lung ei­nen be­fris­te­ten Ar­beits­ver­trag ab­ge­schlos­sen.

Mit Ur­teil vom 24.11.2011 – 50 Ca 7946/11 -, auf des­sen Tat­be­stand (Bl. 351 bis 355 d. A.) we­gen der wei­te­ren Ein­zel­hei­ten des erst­in­stanz­li­chen Vor­trags der Par­tei­en Be­zug ge­nom­men wird, hat das Ar­beits­ge­richt Ber­lin fest­ge­stellt, dass das Ar­beits­verhält­nis der Kläge­rin nicht am 30.06.2011 be­en­det wur­de und durch die Kündi­gung der C. BKK mit Schrei­ben vom 19.05.2011 nicht be­en­det wird.

Zur Be­gründung hat das Ar­beits­ge­richt im We­sent­li­chen aus­geführt, die Be­klag­te sei pas­siv­le­gi­ti­miert, da nach § 155 Abs. 1 Satz 2 SGB V im Fal­le ei­ner Sch­ließung die Be­triebs­kran­ken­kas­se als fort­be­ste­hend gel­te, so­weit es der Zweck der Ab­wick­lung er­for­de­re. Das Ar­beits­verhält­nis sei nicht auf­grund der Sch­ließung der Be­klag­ten zum 30.06.2011 be­en­det, die Vor­aus­set­zun­gen ei­ner Be­en­di­gung nach § 164 Abs. 4 Satz 1 SGB V lägen nicht vor. Die­se Re­ge­lung, die im Ar­beits­verhält­nis der Kläge­rin we­gen ih­rer Unkünd­bar­keit nach § 20 MTV zur An­wen­dung kom­me, sei da­hin­ge­hend aus­zu­le­gen, dass ei­ne Be­en­di­gung der Ver­trags­verhält­nis­se mit der Sch­ließung nur ein­tre­te, wenn ein zu­mut­ba­res An­ge­bot un­ter­brei­tet, aber vom Beschäftig­ten nicht an­ge­nom­men wor­den sei. En­den soll­ten nur die Ar­beits­verhält­nis­se der nicht un­ter­ge­brach­ten Beschäftig­ten, die Be­en­di­gungs­fol­ge knüpfe an ei­ne nicht er­folg­te „Un­ter­brin­gung“ an. Die­se Re­ge­lung wäre überflüssig, wenn ei­ne Be­en­di­gung der Ar­beits­verhält­nis­se un­abhängig da­von ein­tre­te. Die An­knüpfung der Be­en­di­gungs­fol­ge an ein er­folg­tes An­ge­bot ent­spre­che auch der ge­setz­ge­be­ri­schen In­ten­ti­on, wie aus der Ge­set­zes­be­gründung der Vorgänger­re­ge­lung in § 173 Abs. 3 bis 5 SGB V her­vor­ge­he, und den durch Art. 12 GG vor­ge­ge­be­nen Wer­tent­schei­dun­gen. Der von der Be­klag­ten auf­ge­zeig­te „Do­mi­no-Ef­fekt“ recht­fer­ti­ge es nicht, die Über­nah­me­ver­pflich­tung so­zu­sa­gen im In­ter­es­se der an­de­ren Kas­sen „weg­zu­in­ter­pre­tie­ren“. Das Ar­beits­verhält­nis der Kläge­rin en­de nicht mit der Sch­ließung, da nicht fest­ge­stellt wer­den könne, dass ihr ein zu­mut­ba­res An­ge­bot un­ter­brei­tet wor­den sei. Die Be­klag­te tra­ge nicht vor, wel­che Tätig­keit der Kläge­rin zu wel­chen Be­din­gun­gen an­ge­bo­ten wor­den sein soll, ob­wohl sie mit Be­schluss vom 29.08.2011 dar­auf hin­ge­wie­sen wor­den sei, dass dies vor­zu­tra­gen sei, und es sich um ei­ne Vor­aus­set­zung des Kündi­gungs­tat­be­stan­des hand­le. Die von ihr gel­tend ge­mach­te Tat­sa­che, dass die­ses Ver­fah­ren nicht in ih­rer Hand lie­ge, ände­re hier­an nichts, da ihr dies­bezüglich Aus­kunfts­ansprüche ge­genüber dem Lan­des­ver­band zustünden. Die Kündi­gung vom 19.05.2011 sei un­wirk­sam, weil ein Weg­fall des Beschäfti­gungs­bedürf­nis­ses für die Kläge­rin zum 30.06.2011 oder zum 31.12.2011 an­ge­sichts der durch­ge­hen­den Wei­ter­beschäfti­gung der Kläge­rin, die auch über den 31.12.2011 hin­aus er­fol­gen sol­le, nicht fest­ge­stellt wer­den könne. Mit der Sch­ließung wer­de auch nicht so­zu­sa­gen ein Weg­fall der Beschäfti­gungsmöglich­kei­ten fin­giert. Für die Zwe­cke der Ab­wick­lung gel­te die Be­klag­te viel­mehr nach § 155 Abs. 1 Satz 2 SGB V als fort­be­ste­hend. Ei­ne neue Ab­wick­lungs­ge­sell­schaft wer­de ge­ra­de nicht fin­giert. Ent­spre­chend ha­be es auch kei­nen Gründungs­akt zur Kon­sti­tu­ie­rung ei­ner neu­en Ge­sell­schaft ge­ge­ben. We­gen der wei­te­ren Ein­zel­hei­ten der Be­gründung wird auf die Ent­schei­dungs­gründe des erst­in­stanz­li­chen Ur­teils (Bl. 355 bis 364 d. A.) Be­zug ge­nom­men.

Ge­gen die­ses, der Be­klag­ten am 16.12.2011 zu­ge­stell­te Ur­teil rich­tet sich ih­re am 21.12.2011 beim Lan­des­ar­beits­ge­richt ein­ge­gan­ge­ne Be­ru­fung, die sie nach Frist­verlänge­rung bis zum 16.03.2012 mit am 22.02.2012 vor­ab per Fax ein­ge­gan­ge­nem Schrift­satz be­gründet hat.

Die Be­klag­te ist der An­sicht, die In­ter­pre­ta­ti­on der ge­setz­li­chen Vor­schrif­ten in §§ 155, 164 SGB V durch das Ar­beits­ge­richt ge­he fehl. Sie be­zieht sich für de­ren Aus­le­gung nach Wort­laut, Sinn und Zweck auf ih­ren erst­in­stanz­li­chen Vor­trag und geht im Fol­gen­den auf zwi­schen­zeit­lich er­gan­ge­ne Ent­schei­dun­gen an­de­rer Ar­beits­ge­rich­te bzw. Kam­mern zur Aus­le­gung von § 164 Abs. 4 Satz 1 SGB V ein. Grundsätz­lich soll­ten nach die­ser Vor­schrift al­le Beschäfti­gungs­verhält­nis­se en­den und nur not­wen­di­ger­wei­se an­dern­orts un­ter­ge­brach­te Beschäftig­te ih­ren Ar­beits­platz – durch die dor­ti­ge Beschäfti­gung – nicht ver­lie­ren. Die Ge­set­zes­be­gründung zu der Vorgänger­re­ge­lung, die, weil nur auf die In­nungs­kran­ken­kas­sen be­zo­gen, nicht ver­gleich­bar sei, sei ein­fach nur un­scharf for­mu­liert. Mit der Vor­schrift sol­le der Ge­fahr ei­nes „Do­mi­no-Ef­fekts“, der Sch­ließung ei­ner Kas­se nach der an­de­ren auf­grund ei­ner ste­ti­gen Stei­ge­rung der Ver­bind­lich­kei­ten bei ei­ner im­mer klei­ner wer­den­den Haf­tungs­ge­mein­schaft, be­geg­net wer­den, in­dem die Be­en­di­gung al­ler Ar­beits­verhält­nis­se mit dem Sch­ließungs­zeit­punkt an­ge­ord­net wer­de. Nur die­ses Norm­verständ­nis wer­de den Vor­ga­ben des BVerfG ge­recht und be­geg­ne auch kei­nen ver­fas­sungs­recht­li­chen Be­den­ken. Dem Ge­setz­ge­ber sei zum Aus­gleich der In­ter­es­sen des Schut­zes ei­nes be­zahl­ba­ren und funk­tio­nie­ren­den so­zia­len Kran­ken­ver­si­che­rungs­schut­zes und der Be­rufs­frei­heit ein wei­ter Ge­stal­tungs­spiel­raum ein­geräumt. Sei­ne hier vor­lie­gen­de Ent­schei­dung für ei­ne „ta­bu­la-ra­sa-Lösung“ zur Ver­mei­dung ei­ner Über­for­de­rung des ge­setz­li­chen Kran­ken­ver­si­che­rungs­sys­tems sei nicht zu be­an­stan­den. Die Rechts­auf­fas­sung des Ar­beits­ge­richts sei schon mit dem Wort­laut der Vor­schrift nur schwer­lich zu ver­ein­ba­ren, der hierfür nur das Feh­len ei­ner tatsächli­chen Un­ter­brin­gung vor­aus­set­ze. Da nach § 164 Abs. 3 Satz 3 SGB V nur unkünd­ba­re Mit­ar­bei­ter im Un­ter­brin­gungs­ver­fah­ren zu berück­sich­ti­gen sei­en, wäre § 164 Abs. 4 Satz 1 SGB V kon­se­quen­ter­wei­se auf or­dent­lich künd­ba­re Beschäftig­te über­haupt nicht an­wend­bar, was je­doch krass wer­tungs­wi­dersprüchlich sei und in ekla­tan­tem Wi­der­spruch zum Wort­laut der Ver­wei­sungs­norm in § 155 Abs. 4 Satz 9 SGB V ste­he. Wel­che Kri­te­ri­en an die Zu­mut­bar­keit des Un­ter­brin­gungs­an­ge­bots zu stel­len sei­en, sei im Übri­gen äußerst frag­lich, ge­setz­li­che Vor­ga­ben ge­be es hier­zu nicht, räum­li­che Kri­te­ri­en könn­ten kaum ei­ne Rol­le spie­len. Die Ausführun­gen des BVerfG in der War­te­schlei­fen-Ent­schei­dung, der ei­ne ganz an­de­re Kon­stel­la­ti­on zu­grun­de ge­le­gen ha­be, könn­ten hier nicht her­an­ge­zo­gen wer­den, da die C. BKK mit der Sch­ließung un­ter­ge­gan­gen sei und ei­ne Rechts­nach­fol­ge nicht statt­fin­de. Da ei­ne Kran­ken­kas­se ei­ne Körper­schaft des öffent­li­chen Rechts sei, könne für die recht­li­che Be­wer­tung nicht ein­fach „blan­kes“ Ar­beits­recht her­an­ge­zo­gen wer­den. Mit der Sch­ließung ha­be sie auf­gehört, recht­lich zu exis­tie­ren. Das Erlöschen ei­ner Körper­schaft le­dig­lich durch Ab­wick­lung al­ler Rechts­verhält­nis­se sei dem öffent­li­chen Recht fremd. Mit der Sch­ließung sei den Rechts­verhält­nis­sen der C. BKK das Rechts­sub­jekt ab­han­den ge­kom­men und lie­ge ei­ne Be­triebs­still­le­gung vor, wie sie um­fas­sen­der nicht sein könne, wo­bei die Ar­beit­neh­mer durch die ge­setz­li­chen Re­ge­lun­gen ins­ge­samt nicht schlech­ter ge­stellt würden als Ar­beit­neh­mer in der Pri­vat­wirt­schaft im Fal­le der In­sol­venz oder Be­triebs­still­le­gung. Ab­sch­ließend be­zieht sich die Be­klag­te auf ih­ren ge­sam­ten erst­in­stanz­li­chen Vor­trag.

Die Be­klag­te und Be­ru­fungskläge­rin be­an­tragt:

1.
Das Ur­teil des Ar­beits­ge­richts Ber­lin vom 24.11.2011, Ak­ten­zei­chen 50 Ca 7946/11 wird ab­geändert. Die Kla­ge wird ab­ge­wie­sen.

2.
Die Kläge­rin trägt die Kos­ten des Rechts­streits.

Die Kläge­rin und Be­ru­fungs­be­klag­te be­an­tragt,

die Be­ru­fung der Be­klag­ten zurück­zu­wei­sen.

Die Kläge­rin be­zieht sich auf ih­ren erst­in­stanz­li­chen Vor­trag und macht sich die Ausführun­gen des Ar­beits­ge­richts zu Ei­gen. Sie be­zwei­felt die Zulässig­keit der Be­ru­fung, da die­se nicht kon­kret auf das an­ge­foch­te­ne Ur­teil ein­ge­he. Die Be­klag­te stel­le das hier un­ter­brei­te­te Un­ter­brin­gungs­an­ge­bot nicht dar, ob­wohl sie schon erst­in­stanz­lich auf die ihr in­so­weit ob­lie­gen­de Dar­le­gungs- und Be­weis­last hin­ge­wie­sen wor­den sei. Auch set­ze sie sich mit den Ausführun­gen des Ar­beits­ge­richts un­ter II. der Ent­schei­dungs­gründe „nur am Ran­de“ über­haupt nicht aus­ein­an­der. Die Be­zug­nah­me auf ih­ren erst­in­stanz­li­chen Vor­trag er­set­ze dies nicht. Das Ar­beits­ge­richt ha­be zu­tref­fend dar­auf hin­ge­wie­sen, dass die Un­ter­brei­tung ei­nes zu­mut­ba­ren An­ge­bots nicht fest­ge­stellt wer­den könne, weil die in­so­fern dar­le­gungs­be­las­te­te Be­klag­te da­zu nicht vor­tra­ge. Die Auf­fas­sung der Be­klag­ten, räum­li­che Kri­te­ri­en könn­ten da­bei kaum ei­ne Rol­le spie­len, sei nicht zu­tref­fend. § 164 Abs. 3 Satz 3 SGB V stel­le mit der Ver­pflich­tung des (je­wei­li­gen) Lan­des­ver­ban­des ein räum­li­cher Be­zug zum (je­wei­li­gen) Lan­des­ver­band her und be­inhal­te nicht nur die Fähig­kei­ten und Dienst­stel­lung, son­dern auch die ört­li­che und persönli­che Zu­mut­bar­keit. Die An­sicht der Be­klag­ten, die Zu­mut­bar­keit ei­nes Un­ter­brin­gungs­an­ge­bo­tes sei nicht Vor­aus­set­zung für die Be­en­di­gungs­fol­ge nach § 164 Abs. 4 SGB V sei im Hin­blick auf den ein­deu­ti­gen Ge­set­zes­wort­laut un­rich­tig. So­weit sie mei­ne, § 164 Abs. 4 Satz 1 SGB V die­ne dem Schutz des Ge­sund­heits­sys­tems und der Ver­si­cher­ten­ge­mein­schaft vor an­fal­len­den Kos­ten und es be­ste­he die Ge­fahr ei­nes Do­mi­no-Ef­fekts, sei­en die­se Ausführun­gen völlig un­sub­stan­ti­iert und un­zu­tref­fend und fänden in der ge­setz­li­chen Re­ge­lung kei­ne Grund­la­ge. Es hand­le sich le­dig­lich um un­kon­kre­te Mut­maßun­gen. Es sei nicht er­for­der­lich und da­mit un­verhält­nismäßig, be­ste­hen­de ta­rif­li­che oder ge­setz­li­che Kündi­gungs­be­schränkun­gen nicht zu be­ach­ten. Der ein­zel­ne Beschäftig­te ha­be ge­genüber ei­ner Sch­ließungs­ent­schei­dung des Bun­des­ver­si­che­rungs­am­tes kei­nen hin­rei­chen­den Rechts­schutz. Auch bei Be­ach­tung des wei­ten Ge­stal­tungs­frei­rau­mes des Ge­setz­ge­bers sei es nicht ge­recht­fer­tigt, in die Ta­rif­au­to­no­mie und die ge­setz­li­chen Re­ge­lun­gen zur Be­en­di­gung von Ar­beits­verhält­nis­sen der Ge­stalt ein­zu­grei­fen, dass den Ar­beit­neh­mern jeg­li­cher Be­sitz­stand ge­nom­men wer­de, wo­bei ei­ne Gefähr­dung des Ge­sund­heits­schut­zes oder ei­nes funk­tio­nie­ren­den Ge­sund­heits­sys­tems bei Ein­hal­tung der ta­rif­li­chen und ge­setz­li­chen Re­ge­lun­gen zur Be­en­di­gung kaum ein­tre­ten dürf­te. Die Auf­fas­sung, dass mit Sch­ließung der Be­klag­ten als Körper­schaft des öffent­li­chen Rechts oh­ne­hin al­le recht­li­chen Verhält­nis­se zu ihr en­den würden, sei schon des­halb falsch, weil nach § 155 Abs. 1 Satz 2 SGB V die ge­schlos­se­ne Kran­ken­kas­se in­so­weit als fort­be­ste­hend be­han­delt wer­de, bis die Geschäfte ab­ge­wi­ckelt sei­en, so­weit der Zweck der Ab­wick­lung dies er­for­de­re. Dem ent­spre­chend ver­fol­ge die Be­klag­te auch die ih­rer­seits ge­genüber de­ren Schuld­nern be­ste­hen­den Ansprüche wei­ter. Gel­te sie je­doch hin­sicht­lich ih­rer ei­ge­nen For­de­run­gen ge­genüber Drit­ten als fort­be­ste­hend, sei nicht ein­leuch­tend, wie­so dies nicht auch für Ar­beits­verhält­nis­se gel­ten sol­le. Hin­sicht­lich der Kündi­gung feh­le je­den­falls die er­for­der­li­che So­zi­al­aus­wahl mit der Fol­ge der Un­wirk­sam­keit.

In der münd­li­chen Ver­hand­lung am 12.04.2012 erklärte die Pro­zess­be­vollmäch­tig­te der Be­klag­ten auf Nach­fra­ge des Ge­richts, Ausführun­gen zum An­ge­bot ei­nes an­der­wei­ti­gen Ar­beits­plat­zes hätten nicht er­fol­gen können, weil der Be­klag­ten ein sol­ches An­ge­bot nicht vor­lie­ge. Die An­ge­bo­te sei­en ihr vom Lan­des­ver­band nicht mit­ge­teilt wor­den. Sie wis­se aber, dass sämt­li­che unkünd­ba­ren Ar­beit­neh­mer An­ge­bo­te er­hal­ten hätten, weil der Lan­des­ver­band der Auf­sichts­behörde dies mit­ge­teilt ha­be. Ih­rer An­sicht nach müsse die Kläge­rin zur Un­zu­mut­bar­keit vor­tra­gen und nicht die Be­klag­te zur Zu­mut­bar­keit des An­ge­bots. Der Pro­zess­be­vollmäch­tig­te der Kläge­rin erklärte, es sei un­strei­tig, dass es ein An­ge­bot ge­ge­ben ha­be. Es sei aber nicht Auf­ga­be der Kläge­rin, zu des­sen Zu­mut­bar­keit vor­zu­tra­gen. Ih­rer An­sicht nach sei das An­ge­bot nicht zu­mut­bar ge­we­sen.  

We­gen der wei­te­ren Ein­zel­hei­ten des Vor­trags der Par­tei­en in der Be­ru­fungs­in­stanz wird auf die Schriftsätze der Be­klag­ten und Be­ru­fungskläge­rin vom 20.02.2012 (Bl. 377 bis 441 d. A.) und vom 10.04.2012 (Bl. 460 bis 462 d. A.), den Schrift­satz der Kläge­rin und Be­ru­fungs­be­klag­ten vom 21.03.2012 (Bl. 450 bis 454 d. A.) und das Pro­to­koll der münd­li­chen Ver­hand­lung vom 12.04.2012 (Bl. 458/ 459 d. A.) Be­zug ge­nom­men.

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e

Die gemäß §§ 8 Abs. 2, 64 Abs. 2 c) ArbGG statt­haf­te so­wie gemäß §§ 66 Abs. 1 Satz 1, 2 und 5, 64 Abs. 6 ArbGG i. V. m. §§ 519, 520 ZPO form- und frist­ge­recht ein­ge­leg­te, mit den Ausführun­gen zur von der ar­beits­ge­richt­li­chen Ent­schei­dung ab­wei­chen­den Aus­le­gung der ge­setz­li­chen Vor­schrif­ten zur Be­en­di­gung des Ar­beits­verhält­nis­ses in­fol­ge der Sch­ließung der Kas­se und mit dem Hin­weis auf das nach An­sicht der Be­klag­ten da­durch ge­ge­be­ne Vor­lie­gen ei­ner Be­triebs­still­le­gung so­wie die Be­zug­nah­me auf ih­ren erst­in­stanz­li­chen Vor­trag auch hin­sicht­lich der Kündi­gung noch hin­rei­chend be­gründe­te, und so­mit zulässi­ge Be­ru­fung der Be­klag­ten blieb in der Sa­che er­folg­los.

Das Ar­beits­ge­richt hat der Kla­ge zu Recht in vol­lem Um­fang statt­ge­ge­ben. Der Vor­trag der Be­klag­ten in der Be­ru­fungs­in­stanz führ­te nicht zu ei­nem an­de­ren Er­geb­nis.

I.

Die zulässi­ge Kla­ge ist ins­ge­samt be­gründet.

1.

Das Ar­beits­verhält­nis der Kläge­rin en­de­te nicht zum 30.06.2011. Das Ar­beits­ge­richt hat mit zu­tref­fen­der Be­gründung aus­geführt, dass die Vor­aus­set­zun­gen des für den Fall der Sch­ließung ei­ner Be­triebs­kran­ken­kas­se ge­setz­lich über die Ver­wei­sung in § 155 Abs. 4 Satz 9 SGB V ge­re­gel­ten Be­en­di­gungs­tat­be­stan­des nach § 164 Abs. 4 Satz 1 SGB V nicht fest­ge­stellt wer­den konn­ten. Der Vor­trag der Be­klag­ten in der Be­ru­fungs­in­stanz ver­moch­te dar­an nichts zu ändern.

1.1

Die Be­klag­te ist pas­siv­le­gi­ti­miert. Nach § 155 Abs. 1 Satz 2 SGB V gilt die Be­triebs­kran­ken­kas­se bis zur Ab­wick­lung der Geschäfte als fort­be­ste­hend, so­weit es der Zweck der Ab­wick­lung er­for­dert. Die­ser Zweck er­for­dert auch die Aus­ein­an­der­set­zung mit der Be­en­di­gung der Ar­beits­verhält­nis­se in­fol­ge ih­rer Sch­ließung, wie be­reits vom Ar­beits­ge­richt zu­tref­fend fest­ge­stellt.

1.2

In § 155 Abs. 4 Satz 9 SGB V ist be­stimmt, dass die in § 164 Abs. 2 bis 4 SGB V für den Fall der Auflösung oder Sch­ließung ei­ner In­nungs­kran­ken­kas­se ge­re­gel­ten ge­setz­li­chen Vor­schrif­ten für Be­triebs­kran­ken­kas­sen ent­spre­chend gel­ten mit der Maßga­be, dass § 164 Abs. 3 Satz 3 SGB V nur für Beschäftig­te gilt, de­ren Ar­beits­verhält­nis nicht durch or­dent­li­che Kündi­gung be­en­det wer­den kann. In ent­spre­chen­der An­wen­dung die­ser Vor­schrift auf die Sch­ließung ei­ner Be­triebs­kran­ken­kas­se ist al­len Beschäftig­ten, die nicht Dienst­ord­nungs­an­ge­stell­te sind und de­ren Ar­beits­verhält­nis nicht durch or­dent­li­che Kündi­gung be­en­det wer­den kann, bei dem Lan­des­ver­band der Be­triebs­kran­ken­kas­sen oder ei­ner an­de­ren Be­triebs­kran­ken­kas­se ei­ne Stel­lung an­zu­bie­ten, die ih­nen un­ter Berück­sich­ti­gung ih­rer Fähig­kei­ten und bis­he­ri­gen Dienst­stel­lung zu­zu­mu­ten ist. Des Wei­te­ren ist bei ent­spre­chen­der An­wen­dung von § 164 Abs. 3 Satz 4 SGB V je­de Be­triebs­kran­ken­kas­se ver­pflich­tet, An­stel­lun­gen nach Satz 3 an­zu­bie­ten und die An­ge­bo­te den Beschäftig­ten in ge­eig­ne­ter Form zugäng­lich zu ma­chen. Wenn es so­dann in § 164 Abs. 4 Satz 1 heißt, dass die Ver­trags­verhält­nis­se der Beschäftig­ten, die nicht nach Abs. 3 un­ter­ge­bracht wer­den, mit dem Tag der Auflösung oder Sch­ließung en­den, setzt dies nicht nur vor­aus, dass ei­ne an­der­wei­ti­ge Un­ter­brin­gung nicht vor­liegt, son­dern auch, dass zu­vor das ge­setz­lich vor­ge­schrie­be­ne Un­ter­brin­gungs­ver­fah­ren ord­nungs­gemäß durch­geführt wur­de, im Er­geb­nis aber nicht zur an­der­wei­ti­gen Wei­ter­beschäfti­gung den unkünd­ba­ren Beschäftig­ten der ge­schlos­se­nen Be­triebs­kran­ken­kas­se geführt hat. Dies er­gibt ei­ne Aus­le­gung der ge­setz­li­chen Vor­schrif­ten.

1.3

Der ein­fach-ge­setz­li­chen Aus­le­gung von Ge­set­zen ist der Wort­laut der Vor­schrift, der sys­te­ma­ti­sche Ge­samt­zu­sam­men­hang, die Ent­ste­hungs­ge­schich­te und der Zweck, so­weit er im Ge­setz er­kenn­bar Aus­druck ge­fun­den hat, zu­grun­de zu le­gen (vgl. Ur­tei­le des BAG vom 15.11.2011 – 9 AZR 348/10 -, NZA 212, S. 323 ff. und vom 20.05.2008 – 9 AZR 219/07 -, NZA 2008, S. 1237 ff.).

Schon der Wort­laut von § 164 Abs. 4 Satz 1 SGB V, wo­nach es für die Be­en­di­gung der Ar­beits­verhält­nis­se mit dem Tag der Sch­ließung auf ei­ne aus­ge­blie­be­ne Un­ter­brin­gung der Beschäftig­ten nach Abs. 3 der Vor­schrift an­kommt, macht deut­lich, dass nicht al­lein die Tat­sa­che ei­ner un­ter­blie­be­nen Un­ter­brin­gung der Beschäftig­ten, son­dern auch die in Abs. 3 hierfür ge­re­gel­ten Maßga­ben ein­ge­hal­ten sein müssen, da­mit es zur Be­en­di­gung der Ver­trags­verhält­nis­se im Zeit­punkt der Sch­ließung kommt. Die Be­zug­nah­me auf Ab­satz 3 zeigt, dass bei­de Absätze mit­ein­an­der in ei­nem sys­te­ma­ti­schen Zu­sam­men­hang ste­hen. Wenn es in den für die Beschäftig­ten, die nicht Dienst­ord­nungs­an­ge­stell­te sind, al­lein her­an­zu­zie­hen­den Sätzen 3 und 4 des Ab­sat­zes 3 so­dann in ent­spre­chen­der An­wen­dung auf die Be­triebs­kran­ken­kas­sen heißt, dass die­sen bei dem Lan­des­ver­band der Be­triebs­kran­ken­kas­sen oder ei­ner an­de­ren Be­triebs­kran­ken­kas­se ei­ne Stel­lung an­zu­bie­ten ist, die ih­nen un­ter Berück­sich­ti­gung ih­rer Fähig­kei­ten und bis­he­ri­gen Dienst­stel­lung zu­zu­mu­ten ist, und dass die Be­triebs­kran­ken­kas­sen ver­pflich­tet sind, ent­spre­chen­de An­stel­lun­gen an­zu­bie­ten, lässt dies dar­auf schließen, dass re­gelmäßig der­ar­ti­ge zu­mut­ba­re An­ge­bo­te vor­an­ge­gan­gen sein müssen, um die in § 164 Abs. 4 Satz 1 SGB V be­zeich­ne­te Rechts­fol­ge der Be­en­di­gung der Ar­beits­verhält­nis­se mit der Sch­ließung aus­zulösen.

Die Ent­ste­hungs­ge­schich­te der Vor­schrift bestätigt die­se Aus­le­gung. In der Ge­set­zes­be­gründung des GKV-OrgVVG (BT-Drucks. 16/9559, S. 19), mit dem die Ver­wei­sungs­norm in § 155 Abs. 4 Satz 9 SGB V ein­geführt wur­de, heißt es da­zu:

„Durch die ent­spre­chen­de An­wen­dung des § 164 Abs. 2 bis 4 wer­den auch im Be­reich der Be­triebs­kran­ken­kas­sen die Beschäfti­gungs­ansprüche der Dienst­ord­nungs­an­ge­stell­ten (DO-An­ge­stell­ten) und der übri­gen Beschäftig­ten in unkünd­ba­ren Ar­beits­verhält­nis­sen in­so­weit ge­si­chert, als ih­nen bei den an­de­ren Be­triebs­kran­ken­kas­sen ei­ne ih­rer bis­he­ri­gen Stel­le ent­spre­chen­de Stel­le an­zu­bie­ten ist. Die Rechts­po­si­ti­on wird hier­durch ent­spre­chend den vor­han­de­nen Re­ge­lun­gen für Orts- und In­nungs­kran­ken­kas­sen ge­si­chert, wie es als Fol­ge von kas­senüberg­rei­fen­den Fu­sio­nen be­reits in § 171 a SGB V ge­re­gelt ist.“ 

Die Ge­set­zes­be­gründung der gleich lau­ten­den und des­halb auch ver­gleich­ba­ren Vorgänger­be­stim­mun­gen von § 164 Abs. 3 für die In­nungs­kran­ken­kas­sen in § 173 Abs. 3 bis 5 SGB V a.F. (BT-Druck­sa­che 11/2237, S. 212) lau­tet:

„Im In­ter­es­se des von der Auflösung oder Sch­ließung ei­ner In­nungs­kran­ken­kas­se be­trof­fe­nen Per­so­nals wird vor­ge­se­hen, dass grundsätz­lich so­wohl den dienst­ord­nungsmäßigen An­ge­stell­ten als auch den übri­gen Be­diens­te­ten der Kran­ken­kas­se die Wei­ter­beschäfti­gung ent­we­der beim zuständi­gen Lan­des­ver­band der In­nungs­kran­ken­kas­sen oder bei ei­ner an­de­ren In­nungs­kran­ken­kas­se an­zu­bie­ten ist. Die Über­nah­me der Beschäftig­ten soll zu den­sel­ben oder zu­min­dest gleich­wer­ti­gen Be­din­gun­gen er­fol­gen. Nur in den Fällen, in de­nen ei­ne Wei­ter­beschäfti­gung nicht möglich ist, sol­len die Ver­trags­verhält­nis­se en­den.“

Die Ge­set­zes­be­gründung der gleich lau­ten­den Vorgänger­be­stim­mun­gen ist in­so­weit kei­nes­wegs un­scharf for­mu­liert, wie die Be­klag­te ge­meint hat, son­dern be­sagt klar und ein­deu­tig, dass der Be­en­di­gung der Ver­trags­verhält­nis­se im Zeit­punkt der Sch­ließung grundsätz­lich ein zu­mut­ba­res Wei­ter­beschäfti­gungs­an­ge­bot beim Lan­des­ver­band oder ei­ner an­de­ren Kas­se vor­an­ge­gan­gen sein muss, oh­ne dass es je­doch im Er­geb­nis zu ei­ner an­der­wei­ti­gen Un­ter­brin­gung ge­kom­men ist. Wenn nach die­ser Ge­set­zes­be­gründung nur im Fal­le der Unmöglich­keit ei­ner Wei­ter­beschäfti­gung die Ver­trags­verhält­nis­se en­den sol­len, lässt dies al­ler­dings of­fen, aus wel­chen Gründen ei­ne Wei­ter­beschäfti­gung nicht möglich war und es des­halb letzt­lich nicht zu ei­ner Un­ter­brin­gung ge­kom­men ist. Da grundsätz­lich sämt­li­chen Beschäftig­ten, die nicht Dienst­ord­nungs­an­ge­stell­te sind, zu­mut­ba­re An­ge­bo­te zu un­ter­brei­ten sind, wird das Aus­blei­ben ei­ner Un­ter­brin­gung in die­sen Fällen re­gelmäßig dar­an lie­gen, dass die­se von den je­wei­li­gen Beschäftig­ten nicht an­ge­nom­men wur­den, wie das Ar­beits­ge­richt dar­aus ge­schlos­sen hat. Sind die be­trof­fe­nen Ar­beit­neh­mer mit ei­nem zu­mut­ba­ren An­ge­bot nicht ein­ver­stan­den, ist ei­ne die­sem ent­spre­chen­de Wei­ter­beschäfti­gung unmöglich. Denk­bar ist nach der Ge­set­zes­be­gründung je­doch auch, dass im aus­nahms­wei­sen Ein­zel­fall die an­der­wei­ti­ge Un­ter­brin­gung dar­an schei­tert, dass im Rah­men des zwin­gend durch­zuführen­den Un­ter­brin­gungs­ver­fah­rens we­der beim Lan­des­ver­band noch bei ei­ner an­de­ren Kas­se zu­mut­ba­re Wei­ter­beschäfti­gungsmöglich­kei­ten ge­fun­den wur­den, die den je­wei­li­gen Beschäftig­ten an­ge­bo­ten wer­den konn­ten. Auch in ei­nem sol­chen Fall wäre ei­ne an­der­wei­ti­ge Wei­ter­beschäfti­gung im Sin­ne der Ge­set­zes­be­gründung „nicht möglich“.

Aus die­ser Ent­ste­hungs­ge­schich­te ist zu­dem der Zweck der Re­ge­lun­gen in § 164 Abs. 3 und 4 SGB V er­kenn­bar, den von der Sch­ließung be­trof­fe­nen unkünd­ba­ren An­ge­stell­ten im Re­gel­fall zur Si­che­rung ih­rer Beschäfti­gungs­ansprüche ei­ne Wei­ter­beschäfti­gung zu glei­chen oder zu­min­dest gleich­wer­ti­gen Ar­beits­be­din­gun­gen zu ermögli­chen, um die Fol­ge der Be­en­di­gung ih­rer Ar­beits­verhält­nis­se im Zeit­punkt der Sch­ließung möglichst zu ver­mei­den. Die­ser Ge­set­zes­zweck, der in den ge­setz­li­chen Re­ge­lun­gen mit dem Er­for­der­nis ent­spre­chen­der An­ge­bo­te und der Ver­pflich­tung des Lan­des­ver­ban­des bzw. der an­de­ren Be­triebs­kran­ken­kas­sen zu de­ren Un­ter­brei­tung ent­spre­chen­den Aus­druck ge­fun­den hat, ist auch bei der Aus­le­gung der Be­en­di­gungs­norm des § 164 Abs. 4 Satz 1 SGB V zu be­ach­ten, da die­se Vor­schrift nur auf die Ver­trags­verhält­nis­se der­je­ni­gen Beschäftig­ten zur An­wen­dung kom­men soll, die nicht nach Abs. 3 un­ter­ge­bracht wer­den.

Dies steht der Rechts­auf­fas­sung der Be­klag­ten ent­ge­gen, dass § 164 Abs. 4 Satz 1 SBG V al­lein dem Schutz des Ge­sund­heits­sys­tems und der Ver­si­cher­ten­ge­mein­schaft die­ne und dass mit der Vor­schrift al­lein der Ge­fahr ei­nes „Do­mi­no-Ef­fekts“, der Sch­ließung ei­ner Kas­se nach der an­de­ren auf­grund ei­ner ste­ti­gen Stei­ge­rung der Ver­bind­lich­kei­ten bei ei­ner im­mer klei­ner wer­den­den Haf­tungs­ge­mein­schaft, be­geg­net wer­den sol­le, in­dem die Be­en­di­gung al­ler Ar­beits­verhält­nis­se mit dem Sch­ließungs­zeit­punkt an­ge­ord­net wer­de. Wenn § 164 Abs. 4 Satz 1 SGB V die Maßga­ben von § 164 Abs. 3 SGB V aus­drück­lich in Be­zug nimmt, dient die Vor­schrift je­den­falls auch dem In­ter­es­se des von Auflösung oder Sch­ließung be­trof­fe­nen Per­so­nals an ei­ner zu­mut­ba­ren an­der­wei­ti­gen Wei­ter­beschäfti­gung und der Si­che­rung der Wei­ter­beschäfti­gungs­ansprüche der von der Sch­ließung der Kas­se be­trof­fe­nen unkünd­ba­ren Ar­beit­neh­mer. Nur wenn von den Be­trof­fe­nen zu­mut­ba­re an­der­wei­ti­ge Beschäfti­gungs­an­ge­bo­te nicht an­ge­nom­men wur­den oder wenn im Aus­nah­me­fall das Un­ter­brin­gungs­ver­fah­ren trotz aus­rei­chen­der Bemühun­gen we­gen feh­len­der zu­mut­ba­rer Wei­ter­beschäfti­gungsmöglich­kei­ten beim Lan­des­ver­band oder ei­ner an­de­ren Be­triebs­kran­ken­kas­se oh­ne Er­geb­nis blieb, soll es viel­mehr zur Be­en­di­gung der Ver­trags­verhält­nis­se der unkünd­ba­ren Beschäftig­ten kom­men und rückt dann der mit der Vor­schrift eben­falls be­zweck­te Schutz des Ge­sund­heits­sys­tems und der Ver­si­cher­ten­ge­mein­schaft vor fi­nan­zi­el­ler Über­for­de­rung durch Ver­pflich­tun­gen aus in­fol­ge des Feh­lens von Beschäfti­gungsmöglich­kei­ten ggf. sinn­los ge­wor­de­nen Ar­beits­verhält­nis­sen der unkünd­ba­ren Ar­beit­neh­mer in den Vor­der­grund.

Führt so­mit be­reits die ein­fach-ge­setz­li­che Aus­le­gung zu dem Er­geb­nis, dass ei­ne Be­en­di­gung der Ar­beits­verhält­nis­se der unkünd­ba­ren Ar­beit­neh­mer ei­ne letzt­lich er­folg­lo­se ord­nungs­gemäße Durchführung des Un­ter­brin­gungs­ver­fah­rens nach § 164 Abs. 3 Satz 3 SGB V vor­aus­setzt, so ent­spricht die­ses Er­geb­nis auch der ver­fas­sungs­recht­lich ge­bo­te­nen Verhält­nismäßig­keit des schwer­wie­gen­den ge­setz­li­chen Ein­griffs in das Grund­recht der Be­rufs­frei­heit der von der Sch­ließung der Kas­se be­trof­fe­nen unkünd­ba­ren Ar­beit­neh­mer aus Art 12 Abs. 1 GG zur Ab­wehr von Ge­fah­ren für das wich­ti­ge Ge­mein­schafts­gut ei­nes be­zahl­ba­ren und funk­tio­nie­ren­den so­zia­len Kran­ken­ver­si­che­rungs­sys­tems (zum Er­for­der­nis der Verhält­nismäßig­keit vgl. Ur­teil des BVerfG vom 24.04.1991 – 1 BvR 1341/90 -, EzA Art. 13 Ei­ni­gungs­ver­trag Nr. 1). In­dem mit dem zwin­gend an­ge­ord­ne­ten Un­ter­brin­gungs­ver­fah­ren den be­trof­fe­nen Ar­beit­neh­mern grundsätz­lich die Möglich­keit der Wei­ter­beschäfti­gung beim Lan­des­ver­band oder ei­ner an­de­ren Be­triebs­kran­ken­kas­se zu glei­chen oder zu­min­dest gleich­wer­ti­gen Ar­beits­be­din­gun­gen eröff­net wird, er­folgt je­den­falls dann, wenn sie die­ses An­ge­bot an­neh­men, ein an­ge­mes­se­ner Aus­gleich die­ses Ein­grif­fes durch die Si­che­rung ih­res Le­bens­un­ter­halts mit die­ser an­der­wei­ti­gen zu­mut­ba­ren Wei­ter­beschäfti­gung. Hin­ge­gen wäre der Ein­griff in die Be­rufs­frei­heit oh­ne jeg­li­che ge­setz­lich vor­ge­se­he­ne Kom­pen­sa­ti­on im Sin­ne der von der Be­klag­ten ver­tre­te­nen „ta­bu­la-ra­sa-Lösung“ trotz des wei­ten Ge­stal­tungs­spiel­raums des Ge­setz­ge­bers zwar eben­falls zur Ge­fah­ren­ab­wehr für das Sys­tem des ge­setz­li­chen Kran­ken­ver­si­che­rungs­schut­zes ge­eig­net, je­doch im Hin­blick auf zu­mut­ba­re Wei­ter­beschäfti­gungsmöglich­kei­ten im Ver­bund der Be­triebs­kran­ken­kas­sen be­reits nicht er­for­der­lich. Es war nicht er­kenn­bar, wes­halb ge­ra­de durch das ge­setz­lich an­ge­ord­ne­te Un­ter­brin­gungs­ver­fah­ren der von der Be­klag­ten befürch­te­te „Do­mi­no-Ef­fekt“ ein­tre­ten könn­te, zu­mal die Kas­sen, die von der Sch­ließung be­trof­fe­ne Ar­beit­neh­mer wei­ter­beschäfti­gen, für de­ren Be­zah­lung im Ge­gen­zug die von die­sen zu er­brin­gen­den Ar­beits­leis­tun­gen er­hal­ten. Je­den­falls aber wäre ei­ne sol­che Lösung nicht an­ge­mes­sen, da in die­sem Fall im Ge­setz selbst we­der ei­ne an­satz­wei­se Si­che­rung der Beschäfti­gungs­ansprüche der be­trof­fe­nen Ar­beit­neh­mer noch ei­ne an­der­wei­ti­ge Kom­pen­sa­ti­on für den schwer­wie­gen­den Ein­griff in ih­re Be­rufs­frei­heit ent­hal­ten wäre.

So­weit die Be­klag­te ge­meint hat, in der Kon­se­quenz der An­sicht des Ar­beits­ge­richts wäre § 164 Abs. 4 Satz 1 SGB V auf or­dent­lich künd­ba­re Beschäftig­te nicht an­wend­bar, was krass wer­tungs­wi­dersprüchlich sei und in ekla­tan­tem Wi­der­spruch zum Wort­laut der Ver­wei­sungs­norm in § 155 Abs. 4 Satz 9 SGB V ste­he, war die­se Ar­gu­men­ta­ti­on nicht über­zeu­gend. Auch wenn man ih­rer Prämis­se folg­te, dass in der Kon­se­quenz die­ser, nun­mehr auch vom Lan­des­ar­beits­ge­richt ver­tre­te­nen Rechts­auf­fas­sung, § 164 Abs. 4 Satz 1 SGB V auf or­dent­lich künd­ba­re Beschäftig­te über­haupt nicht an­wend­bar wäre, führ­te ein dar­in mögli­cher­wei­se vor­lie­gen­der Wer­tungs­wi­der­spruch, nämlich die Be­nach­tei­li­gung der unkünd­ba­ren Ar­beit­neh­mer nur da­zu, dass auch de­ren Ar­beits­verhält­nis­se nicht kraft Ge­set­zes be­en­det würden, was in­des im vor­lie­gen­den Fall im Er­geb­nis oh­ne­hin nicht ent­schei­dungs­er­heb­lich wäre. Der Wi­der­spruch zum Wort­laut der Ver­wei­sungs­norm des § 155 Abs. 4 Satz 9 SGB V wäre schon des­halb nicht er­heb­lich, weil be­reits ei­ne ein­fach-ge­setz­li­che Aus­le­gung die­ser Vor­schrift er­ge­ben könn­te, dass sie für or­dent­lich künd­ba­re Ar­beit­neh­mer nicht zur An­wen­dung kommt (vgl. Ur­teil des ArbG Düssel­dorf vom 12.01.2012 – 4 Ca 5507/11 –, zi­tiert nach ju­ris-Da­ten­bank). Auf die Wort­laut­gren­ze ei­ner ver­fas­sungs­kon­for­men Aus­le­gung (vgl. Be­schluss des BVerfG vom 15.09.2011 - BvR 2232/10 -, zi­tiert nach ju­ris-Da­ten­bank) käme es in­so­weit nicht mehr an.

1.4

Dar­le­gungs- und be­weis­pflich­tig dafür, dass die Vor­aus­set­zun­gen von § 164 Abs. 4 Satz 1 SGB V vor­lie­gen, ist nach all­ge­mei­nen Rechts­grundsätzen der Ar­beit­ge­ber, wenn er sich auf das Ein­grei­fen die­ser Rechts­vor­schrift zur Be­en­di­gung des Ar­beits­verhält­nis­ses be­ruft. Er muss des­halb grundsätz­lich auch dar­le­gen und im Be­strei­tens­fal­le be­wei­sen, dass und wel­ches an­der­wei­ti­ge Beschäfti­gungs­an­ge­bot dem von der Sch­ließung der Kas­se be­trof­fe­nen Ar­beit­neh­mer bei dem Lan­des­ver­band bzw. ei­ner an­de­ren Be­triebs­kran­ken­kas­se un­ter­brei­tet wur­de, das die­ser aus­ge­schla­gen hat, bzw. dass im Aus­nah­me­fall ein sol­ches An­ge­bot nicht un­ter­brei­tet wer­den konn­te, weil we­der beim Lan­des­ver­band noch bei an­de­ren Be­triebs­kran­ken­kas­sen zu­mut­ba­re Beschäfti­gungsmöglich­kei­ten exis­tier­ten. Der Ar­beit­neh­mer muss so­dann erst im Rah­men der ihm ob­lie­gen­den se­kundären Dar­le­gungs­last vor­tra­gen, auf­grund wel­cher Tat­sa­chen ein ihm ggf. un­ter­brei­te­tes An­ge­bot nicht zu­mut­bar war bzw. ent­ge­gen der ggf. vor­ge­tra­ge­nen Be­haup­tun­gen des Ar­beit­ge­bers an­der­wei­ti­ge Wei­ter­beschäfti­gungsmöglich­kei­ten beim Lan­des­ver­band oder an­de­ren Be­triebs­kran­ken­kas­sen exis­tier­ten. Der­ar­ti­ge Dar­le­gun­gen sind dem Ar­beit­neh­mer auch hin­sicht­lich evtl. be­ste­hen­der an­der­wei­ti­ger Wei­ter­beschäfti­gungsmöglich­kei­ten möglich, weil ihm nach § 164 Abs. 3 Satz 4 2. Halb­satz SGB V die An­ge­bo­te des Lan­des­ver­ban­des bzw. der an­de­ren Kas­sen in ge­eig­ne­ter Form zugäng­lich zu ma­chen sind.

Im vor­lie­gen­den Fall war un­strei­tig, dass die or­dent­lich unkünd­ba­re Kläge­rin ein ihr un­ter­brei­te­tes an­der­wei­ti­ges Beschäfti­gungs­an­ge­bot aus­ge­schla­gen hat. Die Kläge­rin hat zu­letzt auch vor­ge­tra­gen, dass sie die­ses An­ge­bot für un­zu­mut­bar hielt. Zu wei­ter­ge­hen­den Dar­le­gun­gen war die Kläge­rin nicht ver­pflich­tet, da die Be­klag­te ent­ge­gen der ihr ob­lie­gen­den Dar­le­gungs­last, auf die sie mit der Auf­la­ge des Ar­beits­ge­richts im Be­schluss vom 29.08.2011 und noch­mals in dem an­ge­foch­te­nen Ur­teil aus­drück­lich hin­ge­wie­sen wur­de, auch in der Be­ru­fungs­in­stanz nicht vor­ge­tra­gen hat, wel­ches An­ge­bot zur Wei­ter­beschäfti­gung der Kläge­rin von dem Lan­des­ver­band der Be­triebs­kran­ken­kas­sen bzw. ei­ner an­de­ren Be­triebs­kran­ken­kas­se zu­vor un­ter­brei­tet wur­de.

Der­ar­ti­ge Dar­le­gun­gen wa­ren der Be­klag­ten im vor­lie­gen­den Fall auch möglich, weil die Sat­zung des BKK-Lan­des­ver­ban­des Ba­den-Würt­tem­berg, in § 2 Abs. 2 Nr. 1 vor­sieht, dass der Lan­des­ver­band die Mit­glieds­kas­sen bei der Erfüllung ih­rer Auf­ga­ben un­terstützt, ins­be­son­de­re durch Be­ra­tung und Un­ter­rich­tung un­terstützt und die Mit­glieds­kas­sen nach § 3 Abs. 1 die­ser Sat­zung An­spruch auf Be­ra­tung und Un­terstützung ha­ben. Der Lan­des­ver­band muss­te der Be­klag­ten da­her in Erfüllung sei­ner sat­zungs­gemäßen Auf­ga­ben auf An­fra­ge die ent­spre­chen­den Auskünf­te er­tei­len. Die Be­klag­te hat in­des nicht ein­mal vor­ge­tra­gen, dass sie sich beim Lan­des­ver­band um ent­spre­chen­de Auskünf­te bemüht hätte, son­dern le­dig­lich dar­auf hin­ge­wie­sen, dass nicht sie selbst, son­dern der Lan­des­ver­band die ent­spre­chen­den An­ge­bo­te un­ter­brei­tet ha­be.

Al­lein ihr pau­scha­ler Vor­trag, es ha­be sich um ein zu­mut­ba­res An­ge­bot ge­han­delt, reich­te als bloße Rechts­be­haup­tung für die Erfüllung ih­rer Primärdar­le­gungs­pflicht nicht aus und durf­te von der Kläge­rin da­mit be­strit­ten wer­den, dass sie eben­so pau­schal an­gab, das An­ge­bot sei ih­rer An­sicht nach un­zu­mut­bar ge­we­sen. Erst wenn die Be­klag­te den In­halt des der Kläge­rin un­ter­brei­te­ten Wei­ter­beschäfti­gungs­an­ge­bots im Ein­zel­nen dar­ge­legt hätte, wäre die Kläge­rin im Rah­men ih­rer se­kundären Dar­le­gungs­last ver­pflich­tet ge­we­sen, ih­rer­seits im De­tail Tat­sa­chen vor­zu­tra­gen, aus de­nen ggf. ei­ne Un­zu­mut­bar­keit des ihr un­ter­brei­te­ten An­ge­bo­tes her­ge­lei­tet wer­den konn­te. Die Be­klag­te hat auch nicht vor­ge­tra­gen, dass es we­der bei dem Lan­des­ver­band noch bei ei­ner an­de­ren Be­triebs­kran­ken­kas­se zu­mut­ba­re Wei­ter­beschäfti­gungsmöglich­kei­ten ge­ge­ben hätte. Es war des­halb nicht fest­stell­bar, dass die in § 164 Abs. 4 Satz 1 i. V. m. § 164 Abs. 3 Satz 3 SGB V be­stimm­te Vor­aus­set­zung ei­nes zu­vor er­folg­ten ord­nungs­gemäßen Un­ter­brin­gungs­ver­fah­rens für die Be­en­di­gung des Ar­beits­verhält­nis­ses mit dem Tag der Sch­ließung der Kas­se vor­lag.

Wel­che Kri­te­ri­en für die Zu­mut­bar­keit ei­nes Beschäfti­gungs­an­ge­bots her­an­zu­zie­hen wären, war des­halb nicht mehr zu prüfen. In­so­weit wird le­dig­lich dar­auf hin­ge­wie­sen, dass die An­sicht der Be­klag­ten, die Kri­te­ri­en der Zu­mut­bar­keit ei­nes Un­ter­brin­gungs­an­ge­bots sei­en äußerst frag­lich, weil es ge­setz­li­che Vor­ga­ben hier­zu nicht ge­be, in­des oh­ne­hin be­reits un­zu­tref­fend ist, da in § 164 Abs. 3 Satz 3 SGB V aus­drück­lich be­stimmt ist, dass den Beschäftig­ten ei­ne Stel­lung an­zu­bie­ten ist, die ih­nen un­ter Berück­sich­ti­gung ih­rer Fähig­kei­ten und bis­he­ri­gen Dienst­stel­lung zu­zu­mu­ten ist. Zu­dem ist der Ge­set­zes­be­gründung der Vorgänger­be­stim­mung in § 173 Abs. 3 bis 5 SGB V a.F. zu ent­neh­men, dass die Über­nah­me der Beschäftig­ten zu den­sel­ben oder zu­min­dest gleich­wer­ti­gen Be­din­gun­gen er­fol­gen soll. Ob darüber hin­aus wei­te­re Kri­te­ri­en, et­wa räum­li­che oder an­de­re persönli­che Kri­te­ri­en zu berück­sich­ti­gen wären, be­durf­te je­den­falls im vor­lie­gen­den Fall kei­ner Ent­schei­dung mehr.

1.5

Das Ar­beits­verhält­nis der Kläge­rin en­de­te schließlich auch nicht des­halb am 30.06.2011, weil die Exis­tenz der C. BKK als Körper­schaft des öffent­li­chen Rechts mit ih­rer Sch­ließung en­de­te und der Kläge­rin des­halb ihr Ar­beit­ge­ber zu die­sem Zeit­punkt schlicht ab­han­den ge­kom­men wäre, wie die Be­klag­te ge­meint hat. Viel­mehr gilt die Be­klag­te nach § 155 Abs. 1 Satz 2 SGB V bis die Geschäfte ab­ge­wi­ckelt sind als fort­be­ste­hend, so­weit es der Zweck der Ab­wick­lung er­for­dert. Für die zu die­sem Zweck er­for­der­li­chen Ar­bei­ten wur­de seit dem 01.07.2011 u. a. auch die Kläge­rin als Team­lei­te­rin ein­ge­setzt, die die­se Ar­bei­ten nun­mehr so­gar bis zum 31.12.2012 fort­set­zen soll.

2.

Auch die außer­or­dent­li­che Kündi­gung vom 19.5.2011 mit so­zia­ler Aus­lauf­frist zum 30.06.2011, vor­sorg­lich zum 31.12.2011, die die Kläge­rin frist­wah­rend mit ih­rer am 03.06.2011 beim Ar­beits­ge­richt ein­ge­gan­ge­nen Kla­ge an­ge­grif­fen hat, hat das Ar­beits­verhält­nis nicht be­en­det.

Es konn­te da­hin­ste­hen, ob die auch in­so­weit nach § 155 Abs. 1 Satz 2 SGB V pas­siv­le­gi­ti­mier­te Be­klag­te im Hin­blick auf die vor­lie­gen­de Unkünd­bar­keit der Kläge­rin nach § 20 Abs. 1 MTV über­haupt zu ei­ner aus­nahms­wei­sen außer­or­dent­li­chen be­triebs­be­ding­ten Kündi­gung mit so­zia­ler Aus­lauf­frist be­rech­tigt ge­we­sen wäre.

Die Wirk­sam­keit ei­ner sol­chen Kündi­gung schei­ter­te je­den­falls be­reits am Feh­len drin­gen­der be­trieb­li­cher Er­for­der­nis­se. So­weit die Be­klag­te sich hier­zu zweit­in­stanz­lich al­lein auf die Sch­ließung zum 30.06.2011 be­ru­fen und ge­meint hat, dar­in lie­ge ei­ne Be­triebs­still­le­gung, wie sie um­fas­sen­der nicht sein könne, wur­de sie be­reits vom Ar­beits­ge­richt dar­auf hin­ge­wie­sen, dass die zum 30.06.2011 ge­schlos­se­ne Kas­se nach § 155 Abs. 1 Satz 2 SGB V als fort­be­ste­hend gilt, so­weit es der Zweck der Ab­wick­lung er­for­dert. Dass der Ar­beits­platz der Kläge­rin durch die Sch­ließung nicht weg­ge­fal­len ist, zeigt sich be­reits an ih­rer seit dem 01.07.2011 er­folg­ten Wei­ter­beschäfti­gung mit Ar­bei­ten zur Ab­wick­lung der ge­schlos­se­nen BKK. Da die­se schon laut Ar­beits­ver­trag vom 23.06.2011 über den 31.12.2012 hin­aus bis zum 30.06.2012 fort­ge­setzt wer­den soll­ten, war das Beschäfti­gungs­bedürf­nis für die Kläge­rin so­mit we­der zum 30.06.2011 noch zum 31.12.2011 ent­fal­len. Auf die un­ter­blie­be­ne So­zi­al­aus­wahl und die ord­nungs­gemäße Be­tei­li­gung des Per­so­nal­rats kam es des­halb nicht mehr an.

3.

Aus die­sen Gründen war die Be­ru­fung der Be­klag­ten zurück­zu­wei­sen.

II.

Die Kos­ten­ent­schei­dung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.

III.

Die Re­vi­si­on war we­gen grundsätz­li­cher Be­deu­tung der hier vor­ge­nom­me­nen Aus­le­gung der ge­setz­li­chen Vor­schrif­ten für ei­ne Viel­zahl wei­te­rer Streitfälle zu­zu­las­sen.

Rechts­mit­tel­be­leh­rung

Ge­gen die­ses Ur­teil kann von der Be­klag­ten bei dem

Bun­des­ar­beits­ge­richt,
Hu­go-Preuß-Platz 1, 99084 Er­furt
(Post­adres­se: 99113 Er­furt),

Re­vi­si­on ein­ge­legt wer­den. 

Die Re­vi­si­on muss in­ner­halb

ei­ner Not­frist von ei­nem Mo­nat

schrift­lich beim Bun­des­ar­beits­ge­richt ein­ge­legt wer­den.

Sie ist gleich­zei­tig oder in­ner­halb

ei­ner Frist von zwei Mo­na­ten

schrift­lich zu be­gründen. 

Bei­de Fris­ten be­gin­nen mit der Zu­stel­lung des in vollständi­ger Form ab­ge­setz­ten Ur­teils, spätes­tens aber mit Ab­lauf von fünf Mo­na­ten nach der Verkündung.

Die Re­vi­si­ons­schrift muss die Be­zeich­nung des Ur­teils, ge­gen das die Re­vi­si­on ge­rich­tet wird und die Erklärung ent­hal­ten, dass ge­gen die­ses Ur­teil Re­vi­si­on ein­ge­legt wer­de. 

Die Re­vi­si­ons­schrift und die Re­vi­si­ons­be­gründung müssen von ei­nem Pro­zess­be­vollmäch­tig­ten un­ter­zeich­net sein. Als sol­che sind außer Rechts­anwälten nur fol­gen­de Stel­len zu­ge­las­sen, die zu­dem durch Per­so­nen mit Befähi­gung zum Rich­ter­amt han­deln müssen:

• Ge­werk­schaf­ten und Ver­ei­ni­gun­gen von Ar­beit­ge­bern so­wie Zu­sam­men­schlüsse sol­cher Verbände für ih­re Mit­glie­der oder für an­de­re Verbände oder Zu­sam­men­schlüsse mit ver­gleich­ba­rer Aus­rich­tung und de­ren Mit­glie­der,
• ju­ris­ti­sche Per­so­nen, de­ren An­tei­le sämt­lich im wirt­schaft­li­chen Ei­gen­tum ei­ner der vor­ge­nann­ten Or­ga­ni­sa­tio­nen ste­hen, wenn die ju­ris­ti­sche Per­son aus­sch­ließlich die Rechts­be­ra­tung und Pro­zess­ver­tre­tung die­ser Or­ga­ni­sa­ti­on und ih­rer Mit­glie­der oder an­de­rer Verbände oder Zu­sam­men­schlüsse mit ver­gleich­ba­rer Aus­rich­tung und de­ren Mit­glie­der ent­spre­chend de­ren Sat­zung durchführt, und wenn die Or­ga­ni­sa­ti­on für die Tätig­keit der Be­vollmäch­tig­ten haf­tet.

Für die Kläge­rin ist kein Rechts­mit­tel ge­ge­ben.
Auf die Möglich­keit der Nicht­zu­las­sungs­be­schwer­de gem. § 72 a ArbGG wird hin­ge­wie­sen. 

Der Schrift­form wird auch durch Ein­rei­chung ei­nes elek­tro­ni­schen Do­ku­ments i. S. d. § 46 c ArbGG genügt. Nähe­re In­for­ma­tio­nen da­zu fin­den sich auf der In­ter­net­sei­te des Bun­des­ar­beits­ge­richts un­ter www.bun­des­ar­beits­ge­richt.de.

Hin­weis der Geschäfts­stel­le
Das Bun­des­ar­beits­ge­richt bit­tet, sämt­li­che Schriftsätze in sie­ben­fa­cher Aus­fer­ti­gung ein­zu­rei­chen.

M.

Sch.

S.

Weitere Auskünfte erteilen Ihnen gern:

Dr. Martin Hensche
Rechtsanwalt
Fachanwalt für Arbeitsrecht

Kontakt:
030 / 26 39 620
hensche@hensche.de
Christoph Hildebrandt
Rechtsanwalt
Fachanwalt für Arbeitsrecht

Kontakt:
030 / 26 39 620
hildebrandt@hensche.de
Nina Wesemann
Rechtsanwältin
Fachanwältin für Arbeitsrecht

Kontakt:
040 / 69 20 68 04
wesemann@hensche.de

Auf Facebook teilen Auf Google+ teilen Ihren XING-Kontakten zeigen Beitrag twittern

 


zur Übersicht 5 Sa 2555/11